Wochenrückblick KW 45Corona-Test-Chaos und eine Milliardenstrafe für Google

Es ist mal wieder soweit: Die Corona-Fallzahlen steigen. Aber auch Netzsperren, Uploadfilter und Staatstrojaner breiten sich aus. Eine Impfung können wir euch zwar nicht bieten, aber vielleicht können wir euch helfen, den Durchblick zu behalten, was Pandemiechaos und Gesetzgebung angeht.

Hund mit Stock im Maul auf Waldweg.
Dieser Hund hat keinen Breitbandanschluss. Du schon? Vielleicht kannst du bald Geld sparen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jamie Street

Eine erfreuliche Nachricht für alle, die im Home-Office am schlechten Internet verzweifeln: Bald schon könnte mehr Geld in der Brieftasche von Verbraucher:innen landen – nämlich genau dann, wenn das Internet langsamer ist als der Vertrag zusichert. Die Verbraucherzentrale hat das mal nachgerechnet und ist „teilweise auf beachtenswerte Summen gekommen“ Tomas Rudl freut sich darüber, dass ab Dezember endlich mehr „Ehrlichkeit“ in den deutschen Markt für Internetanschlüsse einziehen könnte.

Netzpolitk in der vierten Welle

Die Corona-Fallzahlen explodieren, und damit auch die Anzahl roter Warnungen in der Corona-Warn-App. Wer nach einer Warnung einen PCR-Test machen möchte, bekommt von Hotlines, Testzentren und Praxen Steine in den Weg gelegt. Dabei besteht oft ein Anrecht auf einen kostenlosen PCR-Test, an Kapazitäten mangelt es auch nicht. Markus Reuter hat mit Betroffenen gesprochen und bei Behörden nachgehakt.

Kommentiert hat er die Sache hat er auch: Der Umgang mit Menschen, die eine rote Warnung in der Corona-Warn-App bekommen, sei verantwortungslos. „Schreibt endlich in die Warn-App rein, dass eine rote Warnung heißt, dass man einen kostenlosen Test bekommt – und wo man ihn bekommt.“

Unser Redakteur Ingo Dachwitz hatte diese Woche selbst eine rote Warnung in der App und berichtet von der Unsicherheit, der Suche nach einem PCR-Test und seiner persönlichen Erfahrung im Kommunikationschaos.

Außerdem kann die Corona-Warn-App ab sofort die QR-Codes der Luca-App mitnutzen. Diese bleibt aber in den meisten Corona-Verordnungen weiter der Standard in der digitalen Kontaktverfolgung. Jana Ballweber erklärt, was die Neuerung genau bedeutet.

Im Land der „gefühlten Unsicherheit“?

Völlig losgelöst von der Realität ist die Kriminalitätswahrnehmung der Deutschen. Nur sechs Prozent der Deutschen haben eine reale Vorstellung davon, wie kriminell die Bundesrepublik wirklich ist. Der ständigen Panikmache vom drastischen Anstieg der Kriminalitätsrate in Deutschland begegnet Markus Reuter mit eindeutigen Zahlen und einer präzisen Analyse, warum wir im „Land der gefühlten Unsicherheit“ leben.

Nicht nur eine Wahrnehmung sondern Fakt ist, dass die deutsche Polizei immer häufiger gegen Flugreisende vorgeht. Grund dafür ist Speicherung und Verarbeitung von Passagierdaten im Luftverkehr, erklärt Matthias Monroy. Seit 2018 müssen Airlines die PNR-Daten von Fluggästen speichern. Neben Adresse, Telefonnummer und Reiseroute kann das auch den gebuchten Sitzplatz und das gebuchte Essen umfassen. Dass es dabei auch mal zu einem falschen Treffer kommt, ist leider keine Seltenheit.

Um Kinder im Internet besser zu schützen, fordert die CDU in einem Positionspapier eine Ausweitung von Überwachungsbefugnissen. Mit dabei: ein Verbot anonymer Chats und die Rückkehr der Vorratsdatenspeicherung. Franziska Rau erklärt, was die Forderungen bedeuten und wie die CDU weiter vorgehen will.

Wer freitagabends regelmäßig das ZDF Magazin Royale einschaltet, kann sich bestimmt noch an die Folge erinnern, in der Jan Böhmerman kurz vor der Wahl aufdeckte, dass das Bundesarbeitsministerium von SPD-Minister Hubertus Heil mit Facebook-Werbung im Wahlkampf gezielt SPD-Fans angesprochen hat. Das Ministerium entschuldigt sich für den „Fehler, der so nicht hätte passieren dürfen“. Ingo Dachwitz ist der Sache weiter nachgegangen und deckt auf: Der sogenannte „Fehler“ existiert schon viel länger als bisher angenommen.

Netzsperren, Chatkontrolle und anderes aus dem digitalen Überwachungsspielkasten

In Frankreich ist vor kurzem ein Gesetz in Kraft getreten, das jetzt auch gegen illegales Streaming und die widerrechtliche Live-Übertragung von Sportveranstaltungen erlaubt. Möglich macht es die eigenes gegründete Behörde Arcom. Christina Braun berichtet, was die Gesetzesänderung unserer Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins genau bedeutet und warum Netzaktivist:innen die Kommunikationsfreiheit bedroht sehen.

Ganz andere Gründe für den Einsatz von Netzsperren und schwarze Listen haben die Machthaber in Zentralasien. Durch den wachsenden Einfluss von Sozialen Medien aus dem westlichen Ausland sehen sie sich zunehmend in ihrer Souveränität bedroht – und wollen jetzt noch mehr Druck auf Facebook, Instagram und Telegram ausüben. Warum Moskau dabei die Finger im Spiel hat, erfahrt ihr im Artikel von Christina Braun.

Die Kommission schmiedet zwischenzeitlich auch Pläne für die sogenannte „Chatkontrolle“. Auch private und verschlüsselte Kommunikation könnten damit ins Visier von präventiver Massenüberwachung geraten. Eine klare Absage gibt es für diesen Vorschlag von der Gesellschaft für Informatik (GI). Warum die GI in dem Gesetzesvorhaben einen Verstoß gegen die Grundrecht der EU-Bürger:innen sieht und wie es jetzt mit dem Gesetzesvorhaben weiter geht – Markus Reuter berichtet.

Müssen sich bald alle Reisenden aus Nicht-EU-Ländern bei der Einreise in die EU biometrisch registrieren lassen? Bislang mussten nur Asylsuchende und Visapflichtige vor der Einreise in die EU ihre biometrischen Daten abgeben. Jetzt hat Frontex Pilotprojekt zur Speicherung und Verarbeitung biometrischer Daten an den EU-Außengrenzen getestet. Was das für Folgen hat, lest ihr in Matthias Monroys Text.

Justitia goes EU

Google verzerrt mit seinem Preisvergleichdienst Google Shopping den Wettbewerb. Das hatte die EU-Kommission vor vier Jahren entschieden und dem Giganten aus dem Silicon Valley ein Bußgeld in Höhe von 2,4 Milliarden Euro aufgebrummt. Google wollte sich das nicht so einfach gefallen lassen und klagte vor dem EU-Gericht. Endlich ist das Urteil da: Ob Google gewonnen hat, oder ob das Unternehmen die Strafe letztendlich doch zahlen muss, erfahrt ihr im Artikel von Alexander Fanta .

Geld sollte auch der Facebook-Tochterkonzern WhatsApp auf den Tisch legen: Weil der Messenger-Dienst seinen Transparenzpflichten bei der Datenverwendung nicht nachgekommen ist, hat die EU ihn zu einer saftigen Strafe von 225 Millionen Euro verdonnert. Das Unternehmen wehrt sich jedoch und zieht vor den Europäischen Gerichtshof. Alexander Fanta erklärt in seinem Text, welche juristischen Register WhatsApp auspackt, um nicht doch noch zahlen zu müssen.

Die Zukunft der digitalen Dienste

Die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen tourt aktuell durch Europa. Ein Stopp in Brüssel durfte da natürlich nicht fehlen. Alexander Fanta hat die Ansprache der Facebook-Whistelblowerin vor EU-Parlament am Montag verfolgt und erklärt, was Haugen der EU rät. Spoiler: Es geht vor allem um den Digital Services Act.

Über den schreibt diese Woche auch Julia Reda in ihrer Kolumne. Dort erfahrt ihr, wie das EU-Parlament den „erstaunlich grundrechtsfreundlichen“ Entwurf der Kommission zu einem „dystopischen Regelwerk“ verschlimmbessern könnte und warum uns dadurch schon wieder Upload-Filter drohen.

Außerdem liegt Medienberichten zufolge jetzt auch ein Vorschlag für Netzsperren gegen illegale Inhalte auf dem Tisch. Ob wir uns tatsächlich darauf einstellen müssen, dass das umstrittene Instrument der Netzsperren im Digital Services Act verankert wird, lest ihr im Text von Alexander Fanta und Tomas Rudl.

Was die Spyware Pegasus mit Mexiko zu tun hat

Und auch aus den USA gibt es Neuigkeiten: Ein US-Berufungsgericht jetzt entschieden, dass die Facebook Klage gegen den Spywarehersteller NSO Group zulässig ist. Schon 2019 hatte WhatsApp-Mutter Facebook Klage gegen die NSO Group eingereicht,als bekannt wurde, dass das israelische Unternehmen über eine Sicherheitslücke in der Messaging-App in rund 1.400 Smartphones eingebrochen sein soll. Damit ist die Hoffnung auf Immunität für die Spähfirma erstmal gestorben. Damit ist jetzt der Weg frei für das eigentliche Hauptverfahren, schreibt Tomas Rudl.

Gibt es jetzt endlich mehr Klarheit im Abhörskandal rund um die Spionagesoftware Pegasus? Eine erste Spur führt die Ermittler:innen jetzt nach Mexiko. Die Behörden haben dort Anfang der Woche einen Verdächtigen verhaftet. Chris Köver deckt auf, wer der Beschuldigte Juan Carlos G. ist und warum er eine wichtige Schlüsselrolle für die Aufklärung des Falls in Mexiko spielen könnte.

Von Öko-Fails auf Instagram, Billion Dollar Codes und dem Platzen der Filter Bubble

Wer die Wahl hat, hat die Qual? In Zeiten von algorithmische Empfehlungssystemen, die bestimmen, was wir im Internet sehen, wünschen sich viele Nutzer:innen in sozialen Netzwerken gerade das: Mehr selbstbestimmte Wahlfreiheit. Eine parteiübergreifende Koalition im US-Repräsentantenhaus will jetzt die Filter Bubble platzen lassen. Wie die das genau gehen soll und wie das Bündnis gegen die Macht der IT-Konzerne im Silicon Valley ankommen will, verrät Tomas Rudl in seinem Bericht zum Filter Bubble Transparency Act.

Gegen die millionenschweren Giganten aus dem Silicon Valley kämpfen auch die zwei Hauptfiguren in der Serie „The Billion Dollar Code“, die seit Anfang Oktober auf Netflix läuft. Es ist die Story des Prozesses von „Art+Com gegen Google“ erzählt als David-gegen-Goliath-Geschichte: Hat ein Haufen Nerds und Künstler aus Berlin Google Earth schon in den 90ern erfunden? Holly Hildebrand hat sich die Miniserie für euch angeschaut. In ihrer verspäteten Rezension macht sie nicht nur den Realitätscheck, sondern räumt auch mit typischen Klischees von IT-Nerds im Film auf.

Von Netflix geht es direkt weiter zu putzigen Tierbildern auf Instagram: Da hat sich diese Woche die Organisation Plant A Tree Co. einen gehörigen Fehltritt geleistet. In ihrer Instagram-Story versprechen sie ihren Abonnent:innen: „Für jedes Bild von einem Haustier, pflanzen wir einen Baum“. Nach wenigen Minuten haben schon mehr als vier Millionen Nutzer:innen ein süßes Tierbild hochgeladen. Unmöglich, so viele Bäume zu pflanzen, denkt sich Plant A Tree Co. und löscht den Post. Ein Paradebeispiel für leere Versprechungen und misslungene Ökotrends, findet Christina Braun .

In eigener Sache

Wie wir euch schon mitgeteilt haben: Wir hatten am Wochenende einen IT-Sicherheitsvorfall. Unsere Seite hat am Samstag vorübergehend ein bösartiges Skript ausgeliefert. Daraufhin haben wir die Seite für einige Stunden offline genommen. Wir erklären euch, was wir über den Vorfall wissen und was wir bisher getan haben.

Erfreulichere Nachrichten: Wir haben Zuwachs im Team. In der neuesten Folge unseres Podcasts stellen sich Sebastian, Tina und Jocca vor und erzählen von ihrer Arbeit.

Hinweis für unsere anglofonen Leser:innen: Alexander Fantas Essay über die wettbewerbsfeindliche Ideologie von Pay-Pal Gründer Peter Thiel und den Bericht von Markus Reuter und Tomas Rudl, warum Chatkontrolle so gefährlich ist, gibt es jetzt auch in englische Übersetzung zu lesen!

Wir wünschen euch einen schönen Feierabend und ein coronafreies Wochenende!

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